28. April 2020
Die deutsch-tschechische Zusammenarbeit ist auf vielen Feldern - der Wirtschaft, der Kultur und Ausbildung, der Katastrophenhilfe - in den letzten Jahren ganz wesentlich besser und enger geworden. Die enge Verflechtung zeigt sich insbesondere in den unmittelbar benachbarten Grenzregionen Tschechiens zu Bayern und Sachsen. Der Wegfall der Grenzen und die EU-Mitgliedschaft Tschechiens waren der Grundstein für diesen Aufschwung in den beiderseitigen Beziehungen.
Diese stolze Erfolgsbilanz zum Nutzen der Menschen und der beiden Staaten ist in der Corona-Krise einer harten Bewährungsprobe ausgesetzt. Leider haben beide Seiten einen nationalen Weg der Bekämpfung gewählt, ohne die Anforderungen für eine Fortsetzung der überaus guten Zusammenarbeit wirklich in die Überlegungen einzubeziehen. So wurden beiderseits in den nationalen Denkstrukturen ungewollt Schuldzuweisungen und alte Erklärungsmuster befördert.
Die Grenzschließungen trennen. Sie dürfen keinen Tag länger als unter Beachtung der Pandemiebekämpfung unbedingt erforderlich fortgesetzt werden. Denn der Preis für die Grenzschließungen ist jetzt schon sehr hoch: für die Wirtschaft, für viele Familien, für unsere Gesellschaften. Grenzschließung als ernüchternde Erfahrung. Sie waren wohl unvermeidbar, aber einseitige Reflexe und mangelnde Koordination haben zu Unverständnis, Frustration und nicht zuletzt zu ernsthaften Problemen und Wohlfahrtseinbußen für die Menschen in beiden Ländern geführt – insbesondere in den Grenzregionen, aber nicht nur dort. Teils hat bereits ein Vertrauensverlust eingesetzt.
Daher fordern wir schnell intelligente, flexible und sachgerechte Lösungen.
Hierzu gehört eine bessere Ausstattung von Personal und Infrastruktur, um Abfertigungen und Kontrollen zu beschleunigen. Ziel muss sein, so viel Offenheit wie möglich, so viel Grenzregulierung wie nötig. Die Verantwortlichen beider sollten signalisieren, dass es sich hierbei nicht um einen Dauerzustand, sondern nur um temporäre Maßnahmen handeln darf.
Mit den bilateralen deutsch-tschechischen Strukturen der staatlichen und zivilgesellschaftlichen Zusammenarbeit, dem Gesprächsforum, dem Zukunftsfonds und dem Strategischen Dialog bestehen (mehr als in anderen europäischen Nachbarschaftssituationen) wichtige Rahmenformate, die den bilateralen Dialog und die Zusammenarbeit stabilisieren können. Diese müssen genutzt werden.
Wir schlagen vor:
- Da möglicherweise neue Wellen der Epidemie drohen, müssen beide Seiten darauf hinarbeiten, dass künftig nicht wieder Alleingänge geschehen. So es diese nicht gibt, evtl. Task Force im Strategischen Dialog etablieren (aus einschlägigen Ressorts sowie Vertretung aus Bundesländern und Regionen).
- Solch eine TaskForce muss konkret sich um folgende Punkte kümmern:
Angleichung der Verfahren der Testung und Quarantäneregeln für Pendler und Reisende durch bilaterale Abstimmungen
Einheitliche Bestätigungen, möglichst digital für die praktischen Kontrollen
Einbeziehung der Pendler und der grenznachbarschaftlichen Räume in digitale Strukturen der Infektionsverhinderung (Tracing-App muss eine gemeinsame Rückverfolgung in D und CZ ermöglichen)
Krankenhausplanung muss gemeinsam auch für Krisenfälle geregelt werden, wir sollten soweit über gemeinsame Finanzierungen reden.
- Wir sollten für die Zukunft im strategischen Dialog ein neues Element der vertrauensvollen Zusammenarbeit in Europa entwickeln:
Eine ständige Kommission der Grenznachbarschaft, die die Freiheit hat, Angleichungsvorschläge konkret auszuarbeiten und dabei auch nationale Entscheidungsmuster, wo im Sinne der Sache notwendig, zu überwinden helfen.
Diese Kommission sollte einen jährlichen Bericht abgeben und sollte Vortragsrecht bei den Verantwortungsgremien haben. Darin sollten Wirtschaft und Handel, Sicherheit und soziale Fürsorge und die Bürgerinnen und Bürger selbst zu Wort kommen.
Weiteres Engagement des Deutsch-Tschechischen Zukunftsfonds, der in der Krise rasch reagiert hat und Kooperationsinitiativen und Projekte im deutsch-tschechischen Netzwerk unterstützte;
Deutsche und Tschechen wollen sich in der Krise gegenseitig unterstützen und nicht nur argwöhnisch beobachtet werden.
Wir brauchen Solidarität statt Alleingänge. Wir brauchen Gesten der Freundschaft statt Beschuldigungen und alte Vorurteile.
Die Krise kann nur gemeinsam mit allen Europäern überwunden werden. Tschechien und Deutschland müssen sich daher aktiv in Europa einbringen. Ein nationaler Alleingang wäre ein Irrweg. Verständigung und Kooperation brauchen Begegnungen, zur Not eben virtuell.
Beide Regierungen sind gefordert, gerade jetzt auch den europapolitischen Kontext nicht aus den Augen zu verlieren, sondern diesen, aufbauend auf den bestehenden Dialogformaten, gerade jetzt fortzuführen und zu vertiefen. Deutschland und die Tschechische Republik haben in besonderem Maße ein Interesse daran, dass die Einheit der EU gewahrt bleibt und dass Trennlinien sich nicht verfestigen. Im Kontext der deutschen Ratspräsidentschaft oder der anstehenden Verhandlungen zum MFR gilt es, beide Länder in einen stetigen Austausch zu bringen.